Die aktuelle Situation in Gaza verlangt von uns allen Klarheit, Mitgefühl und Mut.
Als jemand, der selbst Opfer eines islamistischen Regimes war, spreche ich nicht aus ideologischer Voreingenommenheit, sondern aus der Überzeugung, dass Terror, Unrecht und Krieg niemals zu Frieden führen können – weder in Israel noch in Palästina.
A) Das Recht auf Selbstverteidigung – und seine Grenzen
Nach dem entsetzlichen Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 war eine entschlossene Reaktion Israels gerechtfertigt. Hamas hatte bewusst Zivilisten massakriert, Raketen abgefeuert und eine Region in Angst und Schrecken versetzt – mit aktiver Unterstützung durch das iranische Regime. Ziel der israelischen Militäroperation war es, die militärische Schlagkraft der Hamas zu zerschlagen und ihre politische Kontrolle über den Gazastreifen zu beenden. Diese Ziele wurden – auch laut internationalen Beobachtern – größtenteils erreicht. Doch was darauf folgte, war kein Akt der Verteidigung mehr, sondern eine zweite Welle der Gewalt, die Tausende zivile Opfer forderte und die Grenze zur kollektiven Bestrafung überschritten hat.
Diese Fortsetzung der Offensive ist strategisch falsch und moralisch nicht zu rechtfertigen.
B) Wenn Verteidigung zur Zerstörung wird
Zivile Infrastrukturen, Krankenhäuser, Lebensmittelversorgung, Wasserquellen – all das wurde systematisch zerstört. Hunderttausende Kinder hungern, medizinische Hilfe ist kaum möglich. Und hier liegt die tragische Ironie der Geschichte: Die Maßnahmen, mit denen ursprünglich der Terror besiegt werden sollte, führen jetzt dazu, dass neuer Hass entsteht.
Wenn Menschen ihre Familien verlieren, hungern müssen und keinen Ausweg sehen, dann wächst bei manchen nicht Hoffnung – sondern Wut.
So entstehen neue radikale Gruppen, die dann wieder Gewalt verbreiten – ein endloser Kreislauf, der niemandem hilft.
C) Israel ist nicht gleich Netanjahu
Auch innerhalb Israels gibt es Widerspruch. Zahlreiche israelische Menschenrechtsorganisationen, ehemalige Geheimdienstchefs und Generäle haben öffentlich ein Ende der Militäraktionen gefordert.
Die Regierung Netanjahu spricht nicht für das ganze Land.
Im Gegenteil – sie ist tief umstritten. Gegen den Premierminister liegt ein internationaler Haftbefehl wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Das darf nicht ignoriert werden. Viele jüdische Stimmen – in Israel und weltweit – fordern längst ein Ende der Eskalation und ein echtes politisches Umdenken.
Auch sie fordern ein Ende der Besatzungspolitik, der Vertreibung und der Gewalt – und das im Namen der Demokratie, der Gerechtigkeit und der jüdischen Ethik.
D) Was jetzt dringend getan werden muss
Die internationale Gemeinschaft darf nicht länger zuschauen.
Sie muss handeln – entschlossen und pragmatisch. Ich fordere:
- Sofortige Waffenruhe und vollständiger Stopp der israelischen Militäraktionen.
- Freier Zugang für humanitäre Hilfe, medizinische Versorgung, Journalisten und unabhängige Beobachter.
- Freilassung aller Geiseln – die Beendigung der Kampfhandlungen war eine zentrale Voraussetzung dafür.
Israel hatte mehrfach betont, dass militärische Pausen dazu dienen sollten, humanitäre Hilfe zu ermöglichen und Geiseln freizubekommen. Doch solange die Angriffe weitergehen, wird dieses Ziel untergraben – und das Leben der Geiseln bleibt in Gefahr.
Ein echter Waffenstillstand ist nötig, um Verhandlungen zu ermöglichen und Menschenleben zu retten. - Massiven internationalen Druck auf die Hamas.
Katar, Ägypten und andere Staaten müssen Verantwortung übernehmen – es darf nicht sein, dass Hamas-Führer in Doha in Sicherheit leben, während in Gaza Menschen sterben. Diese Männer gehören nicht in Hotels, sondern vor ein internationales Gericht. - Diplomatische Anerkennung eines palästinensischen Staates – bestehend aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen.
Nur so kann international klar geregelt werden, dass Gaza ein fester Bestandteil dieses Staates ist und bleibt.
Diese Anerkennung ist die Grundlage für rechtliche Gleichstellung, politische Mitsprache und eine friedliche Lösung, in der sowohl Israel als auch Palästina in sicheren, anerkannten Grenzen leben können. - Einberufung einer internationalen Übergangsgruppe, bestehend aus Vertretern der USA, EU, Arabischen Liga, Israels und der PLO.
Diese Gruppe soll gemeinsam die Rahmenbedingungen für eine geordnete Übergabe des Gazastreifens an eine zivile, demokratisch legitimierte palästinensische Verwaltung unter Schirmherrschaft der UNO festlegen. - Vorübergehende Verwaltung von Gaza durch UN-Personal, inklusive Entwaffnung der verbliebenen Hamas-Kämpfer – unter internationaler Aufsicht. Nur so kann ein echter Neuanfang gelingen.
E) Frieden braucht Mut – und klare Strukturen
Israel verdient Sicherheit. Die Palästinenser verdienen würde, Freiheit und ein Leben ohne Unterdrückung. Beides ist möglich. Aber nur, wenn die Weltgemeinschaft endlich klare Prinzipien durchsetzt – gegen Terrorismus, gegen Besatzung, gegen Menschenrechtsverletzungen.
F) Kein Antisemitismus – sondern Menschlichkeit
Ich möchte diesen Artikel nicht missverstanden wissen. Ich bin gegen jeden Antisemitismus. Ich verurteile ihn aufs Schärfste und dulde keine Form des Hasses gegen Jüdinnen und Juden – nirgendwo auf der Welt. Gerade deshalb setze ich mich für eine Zwei-Staaten-Lösung ein. Gerade deshalb fordere ich ein Ende der Gewalt, der Vertreibung und der politischen Instrumentalisierung von Religion. Und gerade deshalb sage ich: Wenn wir Freiheit und Demokratie wollen, müssen wir in Gaza beginnen, wo das Elend am größten ist – und wo Hoffnung neu geboren werden kann.